Das Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge ist Immaterielles Kulturerbe Deutschlands
Freilichtmuseum Seiffen, Erzgebirge: Die Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis, unter das bisher elf Kulturformen Sachsens, darunter auch die Bergparaden zählen, begründete die Kulturministerin mit der langen Tradition und den besonderen Handwerkstechniken, die dem Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge seine Einzigartigkeit verleihen. Seiffens Bürgermeister Martin Wittig, der Förderverein der Seiffener Museen, Pressevertreter und weitere Förderer des erzgebirgischen Kunsthandwerks lauschen im urigen Sägewerk den Grußworten von Barbara Klepsch, die sie per Videobotschaft verkündete: „Ich freue mich nicht nur als Kulturministerin, sondern auch als Erzgebirgerin. Denn das Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge ist ein Stück Heimat. Es ist Identität und es ist lebendige Tradition.“
Frederic Günther, Geschäftsführer des Verbandes Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e.V. initiierte die Bewerbung im Namen der gesamten Branche: „Unser Kunsthandwerk ist zu Weihnachten in keinem Wohnzimmer wegzudenken – und das nicht nur hier in Sachsen und Deutschland. Auch weltweit begeistert es Sammler und Liebhaber der erzgebirgischen Traditionen. Wir freuen uns über diese großartige Auszeichnung und Würdigung, die jeden einzelnen unserer Handwerker dafür dankt, dass wir unser 300 Jahre altes Handwerk gemeinsam erhalten, weiterentwickeln und lebendig halten.“
Das Freilichtmuseum Seiffen
Die Synergie von Traditionellem Handwerk und gelebter Tradition wurde am 27.3.25 im Freilichtmuseum Seiffen greifbar. Ein Ort, der seit 2019 als assoziierter Bestandteil der „Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří“ zum UNESCO Welterbe zählt. Das Freilichtmuseum, und damit insbesondere die Technik des Reifendrehens, sind Sachzeugen des Kunsthandwerks in Seiffen. Mit den Worten: „Hier schwebt die DNA der Seiffener Spielzeugmacher“ führte Jörg Bunjes, technischer Leiter und Restaurator des Museums, die geladenen Gäste durch das Areal. Besichtigt wurde unter anderem das 265 Jahre alte Reifendrehwerk, in dem bis heute zwei Reifendrehmeister täglich für die Handwerksbetriebe der Region Reifentiere und andere Bestückungen für Erzgebirgische Pyramiden und Schwibbogen fertigen.
Im Holzspielzeugmacherhaus präsentierten zwei Holzspielzeugmacherinnen des dritten Lehrjahres ihre Fertigkeiten im Spanbaumstechen und Bemalen. Auszubildende Hanna Werner begeistert die einzigartige Handschrift eines jeden erzgebirgischen Kunsthandwerkers: „Man kann genau sehen, welche Figur aus welcher Werkstatt stammt.“ Die hohe Qualität der Ausbildung faszinierte die Gäste, denn die Lehrlinge produzieren ihr Lehrstück von der ersten Zeichnung bis zum fertigen Produkt in Eigenregie. Nur an der deutschlandweit einzigartigen Holzspielzeugmacher- und Drechslerschule in Seiffen kann der Beruf des Holzspielzeugmachers in drei Jahren Verbundausbildung erlernt werden.
Best Practice Beispiel
Unter dem Motto „Traditionelles Handwerk gemeinsam neu denken.“ versteht sich die DENKSTATT Erzgebirge als Impulsgeber und Ideenschmiede. Wir vernetzen Handwerker, Studenten, Kreative sowie Wirtschaft und Forschung und animieren dazu, Ideen zusammen in die Tat umzusetzen“, beschrieb Genia Schlesier wichtige Aufgaben der Branche, um sich zeitgemäß weiterzuentwickeln. Zeitgleich zur Veranstaltung im Freilichtmuseum wurde in der DENKSTATT beim Workshop „3D-Druck mit Holzmehl“ getüftelt und ausprobiert. Die DENKSTATT wurde als Best Practice Beispiel und Modellprojekt mit ins Register des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Die Menschen im Fokus
„Ein wesentlicher Unterschied zum UNESCO Welterbe, bei dem historische Zeugnisse weitestgehend unverändert die Geschichte bis in unsere Zeit transportieren“, kommentierte Antje Reppe von der Beratungs- und Forschungsstelle für Immaterielles Kulturerbe in Sachsen „Das Immaterielle Kulturerbe schaut in die Zukunft und stellt das menschliche Wirken in den Fokus – sowohl im Erhalt als auch in der Weiterentwicklung bestehender Traditionen und Bräuche einer Region. Mit dem Titel wird das Engagement vieler Akteure und Multiplikatoren des Kunsthandwerks aus dem Erzgebirge gewürdigt.“
Dr. Urs Latus, Kunsthistoriker und Restaurator im Spielzeugmuseum Nürnberg, verfasste die Begleitworte zum Antrag: „Das Erzgebirge ist die letzte Region in Deutschland, in der bis heute durch die Fertigung von kunsthandwerklichen Artikeln und Holzspielzeug tausende Menschen in Lohn und Brot stehen. Das Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge lebt davon, dass traditionelle Handwerkstechniken von Generation zu Generation weitergegeben und -entwickelt werden. Das Kunsthandwerk steckt seit 300 Jahren in einem Transformationsprozess. Man könnte sagen: Das Tüftlertum steckt in den Menschen im Blut.“
FILMPREMIERE
Zum Abschluss der Veranstaltung hatte der Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller die Live-Premiere eines besonderen Highlights vorbereitet: „Mit großzügiger Unterstützung von So geht Sächsisch. konnten wir mit den Filmemachern der Mainzelmännchen, NFP*, einen Animationsfilm produzieren. Er zeigt auf herzliche Weise, wie wir im Erzgebirge unsere Traditionen hochhalten“, so Frederic Günther. „Protagonisten sind ein kleiner Erzgebirgsengel und ein Nussknacker – eine Herausforderung, denn beide durften keinem Erzeugnis der Branche ähneln.“ Alina Molsner, Produktionsleiterin des Films, kommentierte: „Was macht den erzgebirgischen Engel besonders und wie sieht eine typische erzgebirgische Werkstatt aus? Den ersten Zeichnungen ist viel Recherchearbeit vorausgegangen.“ Arbeit, die sich gelohnt hat. „Die Reaktionen zum Film sind sehr positiv und es zeigt, dass unsere Produkte das Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge den Menschen direkt ins Herz tragen.“, schließt Günther.
Wir danken der Dachmarke des Freistaates Sachsen So geht Sächsisch. für die Realisierung und großzügige Unterstützung. Produktion: NFP*