Kein Weihnachtsfest ohne Kunsthandwerk
Was wäre das Weihnachtsfest ohne Pyramiden, Schwibbogen und Räuchermänner? Längst haben die Erzeugnisse des traditionellen erzgebirgischen Kunsthandwerks weltweiten Symbolcharakter – auch über die Weihnachtszeit hinaus. Sie stehen für Hoffnung, Licht und die Lebensidentität der Erzgebirger. Die Motive der Kunsthandwerker sind durch ihren Alltag und ihre Herkunft geformt – der Bergbau und der christliche Glaube finden meist darin Ausdruck. Ausgehend vom Erzgebirge wurde das Kunsthandwerk um die ganze Welt getragen. Erzgebirgische Räuchermänner sind Exportschlager, deutsche Weihnachtsmärkte internationale Publikumsmagneten. Eigene Lieder und lebendiges Brauchtum verkörpern die erzgebirgische Weihnacht. Nahezu jedes Fenster ist im Erzgebirge von einem Schwibbogen oder gedrechselten Lichterengel erleuchtet, haushohe Pyramiden und Schwibbögen zieren die Ortskerne. Bis heute praktizieren die Manufakturen im Erzgebirge das Kunsthandwerk mit traditionellen Handwerkstechniken: Das Drechseln, Schnitzen, Spanbaumstechen und viele weitere können Besucher in den Schauwerkstätten hautnah erleben. Das Kunsthandwerk zählt mit einer einzigartigen Vielfalt und Dichte zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige der Region. Ein europaweites Alleinstellungsmerkmal – das Kunsthandwerk ist identitätsstiftend für die Region. Künstlerische Ausdrucksform, Handwerkstechniken und Bräuche werden seit Generationen überliefert, erhalten und weiterentwickelt.
Schutz und Kulturerhalt
Wissenschaftliche Arbeiten und literarische Werke greifen das traditionelle Kunsthandwerk auf, Museen bewahren und verwalten das Wissen. Designwettbewerbe wie „Tradition und Form“ zeichnen die generationsübergreifende Weiterentwicklung des Kunsthandwerks aus. Um die einzigartige Kulturform des Kunsthandwerks zu würdigen und zu schützen, reichte der Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e.V. im Auftrag seiner rund 50 Mitgliedsbetriebe und weiterer Partner die Bewerbung als Immaterielles Kulturerbe ein. Im März 2024 wurde das Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge in die Sächsische Landesliste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen und vom Freistaat Sachsen für das Bundesweite Verzeichnis vorgeschlagen. Die Kunsthandwerker fiebern der Aufnahme-Entscheidung, die die Kulturministerkonferenz der Länder voraussichtlich im Frühjahr 2025 trifft, entgegen.
„Unsere hohe Verbundenheit von Tradition zur Region und von Handwerk zum Leben wird mit der Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe offiziell gewürdigt“, unterstreicht der Geschäftsführer des Verbandes Frederic Günther: „Die Aufnahme gibt den Anschub, unser Kunsthandwerk als identitätsstiftendes, traditionelles und für die gesamte Region prägendes Kulturgut in einer globalisierten und digitalisierten Welt zu erhalten und weiterzuentwickeln.“
Immaterielles Kulturerbe
Elf Kulturformen Sachsens, darunter das traditionelle Köhlerhandwerk und die Bergparaden, sind schon im Bundesweiten Verzeichnis gelistet. Zur Bekanntgabe der Aufnahme des Kunsthandwerks aus dem Erzgebirge in die Landesliste des Freistaates besuchte Kulturministerin Barbara Klepsch am 12. April 2024 das Spielzeugdorf Seiffen. „Weihnachten ohne Schwibbögen, Pyramiden, Räuchermänner oder Nussknacker–das ist in Sachsen undenkbar. Das Kunsthandwerk gehört einfach dazu und prägt die regionale Kultur und Identität“, resümierte Klepsch. „Das Erzgebirge steht seit Jahrhunderten für authentische Handwerkskunst im besten Sinne des Wortes. Hier entstehen einzigartige und qualitativ hochwertige Erzeugnisse, für die ganz spezielle Handwerkstechniken entwickelt wurden, etwa das Reifendrehen oder das Spanbaumstechen.“ Neben dem Besuch der DENKSTATT als Best Practice Beispiel sah die Kulturministerin der nächsten Generation der Holzspielzeugmacher beim Drechseln und Bemalen in der Holzspielzeugmacherschule über die Schulter. Hier wurde deutlich: Moderne Fertigungstechniken ergänzen mittlerweile historische Handwerkstechniken. Die Kunsthandwerker aus dem Erzgebirge wissen sich und ihre Produkte immer wieder neu zu erfinden – dennoch steht der hohe Anteil an Handarbeit und die Wertigkeit der Erzeugnisse im Fokus ihrer Arbeit. So entsteht ein lebendiges Kunsthandwerk, das Traditionen ehrt und sich resilient zukünftigen Entwicklungen der Branche stellt.